Redox – Paare

2. März 2024 - 27. März 2024

Künstler:innen

Artists

Eröffnung am Samstag, dem 2. März um 11 Uhr.

Bemerkungen zu Christoph Mayers Zeichnungen

Lorand Hegyi

Unruhe, Chaos und ekstatisches Getümmel dominieren den Bildraum, eine Vermengung fragmentierter menschlicher, tierischer und pflanzlicher Körper, eine Verflechtung von architektonischen Gebilden und Textfragmenten. Durch diese chaotischen Zustände ergeben sich merkwürdige, enigmatische Begegnungen, entstehen Bühnen für unvorhersehbare Ereignisse, die die gesamte Bilddramaturgie determinieren.

Die Eigenartigkeit der visuellen Gestaltung dieser Zonen besteht darin, dass sie eine imaginäre, quasi-architektonische Räumlichkeit, eine virtuelle Tiefe suggerieren, gleichzeitig aber vollkommen in der fluktuierenden, vitalen, gestisch improvisierten, schriftartigen Bildorganisation integriert sind.

Durch die Umdeutung der gestischen, improvisierten und Räumlichkeit suggerierenden Bildformationen werden diese spezifischen Zonen zu Orten von besonderer Bedeutung, sie werden zur Bühne eines Geschehens, sie fungieren als Plattformen, auf der sich – im literarischen Sinne – Szenen ereignen, Figuren auftauchen, Konflikte stattfinden.

Im Kabinett Maria Bussmann.

Weites Gelände – Kleine Welten 

Überlegungen zu Maria Bussmanns Kleinobjekten

Verena Traeger 

Maria Bussmanns Kleinplastiken sind einzigartige Mikrokosmen voll Poesie und Herzenswärme, eigenwilliger Weltbetrachtung und erfrischend formaler Analyse. So einfach die verwendeten Materialien sind, so klar und präzise sind ihre Aussagen. 

Die promovierte Philosophin hat während eines sechs monatigen Paris Aufenthaltes als Stipendiatin von Cité des Artes im Jahr 2000 damit begonnen, Kleinobjekte von Landschaftsformationen aus der Heimat, wie Bergmassive, Felswände, Skipisten herzustellen. Die Archetypen im Kleinformat waren idealtypische Sehnsuchtsorte, die sie in der französischen Metropole zu vermissen begonnen hatte. Auf diese Weise holte sie sich die vertrauten, heimatlichen Naturstücke in die ferne Großstadt Paris. 

An der Akademie für bildende Künste in Wien waren es nicht ihre Lehrer Wolfgang Hollegha und Arnulf Rainer, sondern Bruno Gironcoli (1936–2010), den sie ins Vertrauen zog. Gironcoli, der von 1977 bis 2004 an der Akademie für bildende Künste in Wien Bildhauerei unterrichtete, war von Anfang an von der philosophischen Syntax und den ungewöhnlichen Materialqualitäten von Bussmanns skulpturalen Arbeiten im Mini-Themenbereich fasziniert: Das Bett der Maus wurde übertroffen von einem in normaler Löt-Arbeit gefertigten Fußballstadion. Das Stadion wurde übertroffen von einem Wettkampf-Schwimmbecken mit vier Bahnen und aus Papier und Pappdeckel ausgeschnittenen, rosarot angestrichenen Kampfschwimmern, jeder seine Bahn ziehend. – Alles Arbeiten, die von so interessanter Materialwahl geprägt ihr formales Dasein einnahmen, dass man den Eindruck absoluter Selbständigkeit der Objekte hat.“ (Gironcoli) 

Aus den anfänglich heimatlichen Gefilden wurden immer größere Themenkomplexe. Immer vielfältiger wurden die Werke, wobei menschenleere Landschaftsmotive bis heute vorherrschen. Zu den Bergen mit Gipfelkreuzen, den Felswänden mit Wasserfällen oder Herbstbäumen, den Bergpanoramen mit Seen und Quellen, den offenen oder zugefrorenen Seen, den Wanderwegen und Straßenzügen mit Häusern, den Skipisten mit Liften und Gondeln, den Weinbergen, wie man sie um Wien und in der Wachau kennt, haben sich weitere Motive gesellt, die auch von der Sehnsucht nach der Ferne und der Reiselust der Entdeckerin erzählen: Golfplätze in Florida, Vulkane, die gerade ausbrechen, dramatische Wetterstimmungen mit Blitzen und Wolken, der Blick aus dem Flugzeug auf die Welt, die dunkle See mit einem einsamen Tanker, der dem hohem Wellengang trotzt, ein Eisberg im Polarmeer, Gletschermassive, Höhlensysteme (Picknickhöhle, Höhle mit Boot) und Stolleneingänge ins Berginnere, in die man mit einer Leiter einsteigt oder mit dem „Stollenhund“ zum Abbau der Schätze hineinfährt – und immer wieder Schwimmbecken und Jacuzzis in verschiedensten Größen und Formen: runde wie rechteckige Becken, mit und ohne Sprungturm, mit Schwimmern und Schwimmerinnen. Der Phantasie scheinen dabei keine Grenzen gesetzt und die Welt wird so in kleine Welten portioniert. Die menschenleeren Landschaftsmotive bilden dabei einen klaren Kontrast zu den durch den Menschen dominierten Fußballfeldern und Schwimmbecken. Der Mensch ist zwar in den Landschaften nicht physisch, aber meist ideell vorhanden. Überall sind seine Spuren, wie Gipfelkreuze, Parkbänke, Wege, Straßen, Häuser, Boote und ähnliches, zu sehen, sodass der Mensch selbst in den einsamsten Landschaften omnipräsent ist.

Bussmanns Kleinobjekte sind keine verspielten Basteleien, sondern eine ernsthafte künstlerische Auseinandersetzung mit der Welt an sich. Die aus Fundstücken, Farben, Papier, Draht, Klebstoff und Watte hergestellten Miniaturskulpturen sind klar ausgewählte Momentaufnahmen und Ausschnitte von Landschaftsmotiven und Szenerien, die Esprit und philosophische Tiefe versprühen. Die aus einfachsten Materialien feinteilig hergestellten Mikrokosmen sind mit großem Aufwand und viel Geduld hergestellt. Für Bergformationen oder Felswände müssen Papierblätter zerknüllt beziehungsweise exakt zerknittert und langsam in Form gebogen werden. Dabei müssen sie immer wieder, an die 15 mal, überstrichen und mit unterschiedlichsten Stützen getrocknet werden, bis sie die gewünschte Form beibehalten. Durch ein ausgeklügeltes System werden die „Kleinen Welten“ in einem Drahtrahmen stabil gehalten und können so an der Wand befestigt werden. Das Papier ist in den Kleinobjekten, die oft wie Malereien wirken, die sich in die Dreidimensionalität erhoben haben, das verbindende Material zur Zeichnerin.

Die Würzburgerin, deren Vorfahren mütterlicherseits aus München stammen, zeigt eine gewisse Seelenverwandtschaft zu Karl Valentin. In seinem kargen Wortwitz hatte dieser mit einfachen Aussagen wie „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ tiefgründige philosophische Überlegungen angestellt. Philosophischen Witz versprühen auch Bussmanns Kleinobjekte wie der Wasserhahn, der aus der Wand ragt, das Mäuse-Hotel-Bett, das eine Maus wie einen Hotelgast zum Übernachten einlädt oder auch die zwei nummerierten Multiples, die sie aus ihrem umfassenden Werkkomplex entwickelt hat, die Schwimmer und Surfer in der leeren Fischkonserve, in der kurz zuvor noch die Sardinen lagen sowie Die Kuh im Glas anstelle der Milch im Glas. Sie sind ebenfalls Handarbeit und damit Unikate, die die Künstlerin in kleiner, limitierter Auflage herstellt.